BGH, Urteil vom 8.1.2014 Az.: I ZR 169/12
Sachverhalt:
Ein Anschlussinhaber ist von Seiten der Musikindustrie abgemahnt worden. Nachdem er den geforderten Schadensersatz nicht zahlte, ist dieser auf Zahlung vor dem Landgericht Köln verklagt worden. Sowohl das Landgericht Köln, als auch das Oberlandesgericht Köln verurteilten den Beklagten grundsätzlich zur Zahlung des Schadens mit der Begründung, dass der Beklagte nicht beweisen konnte, dass er seinen volljährigen Sohn über die Gefahren bei der Nutzung illegaler Downloadportale aufgeklärt habe. Zentraler Punkt des Rechtsstreits war daher die Frage, inwieweit und zu welchem Zeitpunkt Aufklärungspflichten seitens des Anschlussinhabers (Störer) bestehen. Eine Revision ließ das OLG Köln jedoch nicht zu.
Dabei stellte das das Gericht in einer anderen Entscheidung vom 16.05.2012 - 6 U 239/11 selbst klar, dass Ehepartner untereinander keine Prüf- und Kontrollpflichten haben. Es drängte sich daher folglich die Frage auf, ob der volljährige Sohn im familiären Umfeld anders zu beurteilen wäre, als der Ehepartner. Daher überraschte es, dass das OLG Köln die Revision zum BGH nicht zuließ (Urteil vom 22. Juli 2011 Az.: 6 U 208/10). Zudem bestand auch eine andere obergerichtliche Rechtsprechung wie beispielsweise durch das OLG Frankfurt. Dieses Gericht verurteilte Störer in Filesharing-Angelegenheiten stets nach der „Haftung erst ab Kenntnis“ - Formel.
Der Beklagte legte darauf beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerde ein (Az.: 1 BvR 2365/11). Dieses entschied, dass der beim OLG Köln vorliegende Fall noch nicht entschieden sei und daher eine Versagung der Revision den Beklagten in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter gem. Art.101 Abs.1 Satz 2 GG verletze und führt schließlich aus:
„Mithin hätte hier eine Revisionszulassung nahegelegen, weil eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), sowie eine entscheidungserhebliche Abweichung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO vorlag.“
Der Tenor lautete daher wie folgt:
„Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Juli 2011 - 6 U 208/10 - verletzt Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.“
Das OLG Köln machte darauf den Weg zum BGH frei. Dieser urteilte dann wie folgt:
Entscheidungsgründe:
Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben. Der Beklagte ist nicht zur Zahlung des Schadensersatzes verpflichtet. Der Beklagte hat insbesondere keinen Anlass seinen volljährigen Sohn zu überwachen bzw. über die Risiken und Folgen der Nutzung illegaler Downloadportale aufzuklären. Eine solche haftungsbegründende Pflicht ergibt sich erst, wenn der Familienangehörige Anlass zu einer konkreten Befürchtung wie beispielsweise durch Erhalt einer Abmahnung hat. Eine solche hat der Beklagte zuvor nicht erhalten. Deshalb hat er seine Aufsichtspflichten nicht verletzt. Eine Haftung als Störer kommt daher nicht in Betracht.
Kommentar:
Nach dem langen Gang durch die Instanzen stehen dafür nun zwei Punkte fest:
1. Eine Störerhaftung besteht nur dann, wenn man seiner Prüfungs- und Belehrungspflicht nicht nachgekommen ist.
2. Eine Prüfungs- und Belehrungspflicht besteht – im Rahmen eines Familienanschlusses – jedoch nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für Urheberrechtsverletzungen bestehen.
Inwieweit diese Rechtsprechung auf Hotels, Restaurants und Wohngemeinschaften übertragen werden kann, werden die kommenden Urteile zeigen. Unserer Meinung nach zeigt das Urteil jedoch, dass der BGH dem Beklagten einen Vertrauensvorschuss einräumt, welcher der familiären Situation geschuldet ist.